Die mutigsten Maeuse der Welt - Die Entfuehrung by Frances Watts

Die mutigsten Maeuse der Welt - Die Entfuehrung by Frances Watts

Autor:Frances Watts
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlagsgruppe Luebbe GmbH Co KG
veröffentlicht: 2012-02-09T05:00:00+00:00


12 DER WASSERFALL

Alistair erwachte aus einem Traum, in dem zwei Kolonnen rot berockter Mäuse auf ihn zukamen, während er in einem blau gestreiften Zelt lag, ohne die Arme rühren zu können, die unter zwei riesigen Steinblöcken feststeckten. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung erkannte er die grünen Zweige der Trauerweide.

Er drehte den Kopf und sah Tibby Rose, die ein paar Meter weiter auf dem Rücken lag und fest schlief.

Als er einen Arm hob, um sich hochzustemmen, wusste er, warum er geträumt hatte, dass auf seinen Armen schwere Gewichte lasteten: Sie waren so steif, dass er sie kaum bewegen konnte.

Still blieb er liegen und stellte sich vor, leben zu müssen, ohne die Arme benutzen zu können, bis er erst ein röchelndes Schnaufen hörte und dann Tibbys Stimme: »Ich würde ja aufstehen«, sagte sie, »aber ich kann meine Arme nicht heben.«

»Ich weiß«, sagte Alistair kläglich. »Das kommt davon, wenn man rudert wie ein Olympionike.«

»Sag bitte, dass wir heute nicht wieder auf das Floß müssen.«

»Schön wär’s«, erwiderte Alistair, »aber ...«

»Könnten wir nicht zu Fuß weiter?«

»Zu langsam.«

Tibby seufzte. »Sag wenigstens, dass wir keine Brombeeren zum Frühstück essen müssen. So brombeerig wie wir aussehen, würde ich mir glatt wie ein Kannibale vorkommen.«

»Ha, in dieser Hinsicht habe ich gute Neuigkeiten.« Mit einem Stöhnen stützte Alistair eine Hand auf den Boden und stemmte sich hoch. Dann griff er nach dem Stoffbeutel, den ihm Mags am Abend zuvor mitgegeben hatte. »Wir haben Brot, Käse, Erdbeeren und – was ist das? Mmm ... zwei Stück Apfelkuchen.«

»Das klingt lecker ... Aber könntest du mich vielleicht füttern? Ich glaube nicht, dass ich die Hand zum Mund heben kann.«

Alistair streckte ihr eine Hand entgegen. Mit einem Stöhnen ließ sich Tibby hochziehen. »Sobald du dich bewegst, geht’s besser«, versprach er. »Unsere Muskeln müssen nur warm werden. Also, was möchtest du zum Frühstück?«

»Apfelkuchen«, kam es wie aus der Pistole geschossen. Als Alistair die Augenbrauen hochzog, zuckte sie mit den Schultern. »Ich kann nicht behaupten, dass Großtante Harriet damit einverstanden wäre, aber was soll’s? Großtante Harriet ist nicht hier. Sie sitzt zu Hause und ist über und über mit lila Flecken bedeckt.« Tibby biss in ein Stück Apfelkuchen, das Alistair ihr gereicht hatte. »Wie wird sie nach so vielen Jahren wohl ihre Wunderheilung erklären?«

Während es sich seine Freundin schmecken ließ, erinnerte sich Alistair an Timmys Worte vom Vorabend: Weißt du, warum du auf Wanderschaft bist? ... Hast du auch an die gedacht, die du zurückgelassen hast? Alistair hatte sofort an seine eigene Familie gedacht, aber was war mit den Angehörigen von Tibby? Mit schlechtem Gewissen erinnerte er sich an den netten Großvater Nelson und die grimmige Großtante Harriet, die beide so bedacht darauf waren, Tibby Rose zu beschützen, dass sie sie nicht aus dem Haus lassen wollten und dafür sogar die eigene Freiheit aufzugeben schienen. Und nun war sie fort. Wie mussten sie sich fühlen?

»Tibby«, sagte er, »Timmy vom Winns hat mir gestern Abend ganz seltsame Fragen gestellt. Er hat mich gefragt, ob ich wüsste, warum ich auf Wanderschaft bin, und ob ich auch an die gedacht hätte, die ich zurückgelassen habe.



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